Typ-4 Zuverlässigkeitstest: Norwegen-Tour mit Typ-4-Käfer im August 1987
Hier mein damaliger Reisebericht, den ich bereits in der Clubzeitschrift "Käfer", Ausgabe 4/1987 des heute nicht mehr bestehenden Klub der Käfer-Freunde e.V. auszugsweise veröffentlicht hatte:

"Eigentlich sollten es nur ein paar Tage Urlaub an der Ostsee werden - nach vielen arbeitsreichen Wochen mal richtig ausspannen! Doch nur Ausspannen ist einfach zu öde ...

Nicht zuletzt schuldig an meinen Planänderungen war meine für eine kleine Fahrt viel zu umfangreich zusammen gestellte Ausrüstung. Im Kofferraum meines VW-1500-Typ-4-Eigenbaus hatte ich nämlich bei einem "Anfall von Über-Sicherheitsbewusstsein" neben der Camping-Ausrüstung auch eine komplette Heimwerker- Werkzeugausstattung und jede Menge Verschleißteile und sogar noch eine Lichtmaschine und einen Kanister Synthetic-Öl versenkt. Der Wagen lag anschließend gleich etliche Zentimeter tiefer, so schwer war der Kram! "Mit diesem Haufen Gerümpel nur bis an die Ostsee? Das sieht mir eher nach einer Skandinavien-Tour aus!" meinte ein Käferkollege, als er mich packen sah. Damit war bei mir die Idee geboren, den Typ-4-Käfer mal einem kleinen Härtetest zu unterziehen.

Der mit einer Laufleistung von 15.000 Km vorbelastete Motor machte einen kerngesunden Eindruck, als ich am nächsten Morgen gegen 5:00 Uhr den heimischen Hof verließ. Mit mittlerer Geschwindigkeit (Anm.: beim Typ 4 sind dies ca. 140 Km/h) ging es auf der Sauerlandlinie nach Norden - ständig auf irgendwelche Spaß verderbenden Geräusche aus dem Motorraum achtend. Aber die Maschine lief vollkommen "sauber", auch bei Vollgas, so dass ich mit zunehmender Entfernung mein Tempo immer mehr der Höchstgeschwindigkeit annäherte. Gegen 12:00 Uhr traf ich in Flensburg ein, nach knapp 600 Km Fahrt (Anm.: damals war der Verkehr auf den Autobahnen zwar schon recht dicht, aber noch wesentlich flüssiger als heute). Zwischenzeitlich hatte sich ein etwas ungleichmäßiger Motorleerlauf eingestellt, der mich zuerst einen Kompressionsdruckabfall befürchten ließ.

Deshalb fuhr ich nach dem Grenzübergang zu Dänemark nicht nur wegen der dort bestehenden Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht mehr unter Vollast. Abends gegen 20:00 Uhr traf ich in der Nähe von Kap Skagen an der Nordspitze von Jütland ein und suchte mir bei Tageskilometerstand 997 einen Campingplatz. Es hatte begonnen zu regnen, und der Zeltaufbau erwies sich mangels Übung als eher lästig. Die mitgebrachten Dosen-Ravioli wollten auch nicht so recht schmecken, weil die Gedanken immer wieder um das schlechte Leerlaufverhalten des Motors kreisten, das sich auf den letzten Kilometern noch verstärkt hatte. Nach dem Essen reinigte ich, um mögliche Peripherie-Fehler auszuschließen, zuerst mal beide Leerlaufdüsen. Hier fand sich etwas Sand in der rechten Vergaserdüse als Übeltäter, damit war der Schaden behoben. Meine gedämpfte Stimmung verbesserte sich schlagartig und ich genehmigte mir für den Erfolg eines der raren mitgebrachten heimischen Dosenbiere!

Meine Platznachbarn (Familie mit zwei Kleinkindern) hatten mir aus ihrem komfortablen Wohnmobil bei der Reparatur im Regen interessiert zugesehen, was mir irgendwie peinlich war. Aber nachdem ich fertig war, luden Sie mich zum Klönen in ihr Fahrzeug ein und ich musste feststellen, dass Wohnmobilfreunde nicht unbedingt nur versnobbte Typen sein müssen.

Am nächsten Morgen erkundigte ich mich nach den Abfahrtszeiten der PKW-Fähre von Hirtshals (Dänemark) nach Kristiansand in Norwegen. Da die Hauptreisezeit für den Norden bereits Mitte August vorbei war, hatte ich Glück und bekam sofort einen Platz für die Überfahrt nach Norwegen, die damals etwa 100 DM pro PKW kostete (inkl. bis zu 5 Personen). Beim Einfahren in die Fährschiffe sollte man übrigens mit tiefergelegten Autos vorsichtig sein, es kommt leicht zu Aufsetzern an den Kantenübergängen. Circa vier Stunden Wasserweg liegen zwischen beiden Küsten, diese Zeit ist neben einem zollfreien Einkauf auch denkbar gut zum Anknüpfen neuer Bekanntschaften geeignet! Meine Fähre legte bei strahlendem Sonnenschein in Norwegen an. Etwas verblüfft über meine Behauptung, keinen Schnaps mit zu führen, hätte mich der Zöllner bei der Einreise am liebsten gefilzt. Offenbar waren Alleinfahrer für den norwegischen Zoll generell schmuggelverdächtig!

Meine Reise führte mich dann auf der Straße Nr. 12 ins Landesinnere - durch enge Täler mit schroffen Felswänden, öfter unterbrochen von wunderschönen Wasserfällen. Insgesamt ist dieser Landesteil der Landschaft Österreichs sehr ähnlich, jedoch viel dünner besiedelt. Auch der Baustil der Gebäude weicht von den in Mitteleuropa typischen Elementen ab. Es gibt in Norwegen überwiegend Holzhäuser, ja selbst Kirchen findet man vielfach komplett aus Holz gebaut! Deutsche Touristen trifft man hier in sehr großer Zahl, zumeist mit Campingmobilen unterwegs. norw4.jpg (24771 Byte)
Passhöhe ca. 100 km vor Bergen
norw3.jpg (27396 Byte) Die Straßen verlaufen teilweise sehr eng und kurvenreich, sind jedoch überwiegend in gutem Zustand. Allerdings nehmen LKW-Fahrer auf andere Verkehrsteilnehmer so gut wie keine Rücksicht, drosseln vor allem ihr Tempo wegen Gegenverkehr gar nicht gerne! Mindestens zweimal musste ich bei einer solchen Aktion fast neben die Fahrbahn ausweichen, und mein Fahrzeug wurde zur Strafe für sein Vorhandensein auch noch mit hochgeschleudertem Splitt regelrecht zugehagelt!
alte Passstraße E 68

Für PKW- und Motorradfahrer empfiehlt es sich dringend, nicht zu oft nur in der Landschaft herum zu schauen, sonst ist schnell etwas passiert. Denn die Einheimischen fahren auch an unübersichtlichen Stellen wie die Teufel - immer in der Hoffnung, dass bei der relativ geringen Verkehrsdichte wohl kaum jemand entgegen kommen könnte ... Gegen Abend des zweiten Tages suchte ich mir wieder eine Übernachtungsmöglichkeit auf einem Campingplatz. Diese Plätze sind in Norwegen überwiegend komfortabel und sauber. Sie werden nach einem einheitlichen Sternesystem katalogisiert, je nach Qualität ihrer Ausstattung, was dem Platzsucher die Orientierung wesentlich erleichtert. Die meisten Plätze verfügen zudem über Hütten für 4 bis 6 Personen, die recht preiswert gemietet werden können. Allerdings muss man sich dann das Bettzeug mitbringen. Eine Hotelübernachtung ist hingegen fast unerschwinglich teuer.

Insgesamt ist das Preisniveau sehr hoch. Getränke, Schnellimbiss, Cafebesuch, etc., kosten in etwa das Doppelte der in heimischen Landen üblichen Tarife - bei verminderter Leistung, versteht sich.

Weiter ging es am nächsten Tag an vielen Fjorden entlang in Richtung Bergen. Die Straßen entlang der Fjorde sind meist sehr eng und kurvenreich, somit für Mitteleuropäer sehr gewöhnungsbedürftig. Manchmal beträgt die Gesamtbreite der Fahrbahn nur ca. 3,5 Meter, ab und zu findet man eine Ausweichbucht, auf der einen Seite meist Felswände, auf der anderen Seite geht´s viele Meter tief hinunter in das schwarzblaue Wasser eines Fjords. An Stelle von Leitplanken findet sich oft nur ein etwas erhöhter Bordstein. 80 Km/h wären hier entschieden zu viel, doch die Norweger sehen das anders. Besonders schlimm "geheizt" wird auf der E 68, die zudem für dortige Verhältnisse relativ stark befahren ist. Obwohl Norwegen sehr viel im Straßenbau getan hat, ist diese Straße eine verkehrstechnische Katastrophe (Anm.: das war 1987 so, heute ist eine neue E 68 autobahnähnlich ausgebaut). Stellenweise findet man noch Tunnelabschnitte, die nur über einen einzigen Fahrstreifen verfügen, der von beiden Richtungen benutzt werden muss! Man stelle sich vor, wie sich die Situation zuspitzt, wenn einem da jemand in einer Tunnelbiegung entgegen kommt. Dann gilt ausnahmslos das Recht des Stärkeren!

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Campingplatz mit natürlicher Geräuschkulisse

Auf einem sehr schmalen Abschnitt der E 68 erlebte ich, dass sich ein ganzer Pulk Fahrzeuge (LKW mit Hänger, Busse, PKW) gegenüber stand und ein Vorbeifahren nicht möglich war. Nach mehr als einer Stunde Wartezeit hatte sich dieser Stau langsam aufgelöst. Ein LKW-Gespann-Fahrer balancierte dabei sein Fahrzeug samt Hänger mit den rechten Rädern über den Bordstein, knapp über einem tiefen Abgrund! So etwas gehörte eigentlich ins Guiness-Buch; die Flüche der Fahrer versteht übrigens auch jeder Ausländer!

Bergen hat teilweise eine sehr schöne Innenstadt mit Hafenanlage, doch muss man fünf Kronen bezahlen, um überhaupt ins Stadtzentrum fahren zu dürfen. Nach einem mehrstündigen Aufenthalt ging es weiter am Sogne-Fjord entlang zum Gletschermassiv am Sogne-Fjell. Die Passstraße am Fjell ist sehr reizvoll - ähnlich wie der Großglockner-Pass, jedoch viel schmaler ausgebaut. Auf solchen Straßen konnte der 2-Liter-Motor meines Käfers seine Qualitäten voll ausspielen. Die Konkurrenz tat sich schwer, auch die sonst so vorwitzigen Mitglieder der Golffamilie erwiesen sich als etwas träge. In diesem Zusammenhang sind mir die Schreckenserfahrungen , die ich mit der total heiß gelaufenen Bremse eines 75-PS-Golfs 1986 bei einer Pyrenäen-Tour machen musste, prompt wieder eingefallen. Meine Käferbremse in verstärkter Ausführung (vorne Scheibenbremse Typ 1, hinten Trommelbremse Typ III) hielt hingegen auch den widrigsten Passabfahrten problemlos stand und notfalls hätte der Motor selbst eine gute Eigenbremswirkung gehabt. Abends kam ich an einem malerischen Abschnitt des Luster-Fjords an, wo sich ein sehr schöner Campingplatz mit Badestrand und Bootssteg fand.

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auf dem Sogne-Fjell 1400 m über NN

Der folgende Tag brachte einen extremen Wetterumschwung mit sich, statt Sonne mal Nebel und erheblich niedrigere Temperaturen. Ich schlug mich nach einer zweitägigen Irrfahrt durch ein urwüchsiges, touristisch wenig erschlossenes Gebiet an der schwedisch-norwegischen Grenze in Richtung Süden durch. Am malerischen Vänernsee in Schweden angekommen, besserte sich das Wetter am Abend des zweiten Tages, und die dunkelrot leuchtende Sonne schien im See-Horizont zu versinken. Schweden ist landschaftlich ganz anders strukturiert als das gebirgige Norwegen. Meist finden sich kleinere Hügel, zum Teil auch Flachland mit ungewohnt ausgedehnten Wäldern, die von wenigen, nach amerikanischem Vorbild breit ausgebauten Straßen durchzogen werden.

Wegen der geringen Verkehrsdichte kann man sich nahezu stundenlang größere Bewegungen des Gaspedals ersparen; eine Fahrweise, die vorzeitige Ermüdung bei sinkendem Benzinverbrauch fördert. Wie überall im Norden, sind schnellere Käfer auch hier eine Seltenheit. Auch die Zahl der serienmäßigen Käfer hat gegenüber früheren Jahren sehr stark abgenommen, obwohl sich die meisten noch erhaltenen in einem recht guten Zustand befinden. Fahrzeuge der Baureihen 411 und 412, die früher im Norden sehr häufig waren, sieht man so gut wie garnicht mehr!

Meine Reise führte mich tags darauf mit einem kurzen Fähraufenthalt nach Kopenhagen und anschließend auf die südlichste dänische Insel Lolland. Von dort kann man mit der Eisenbahn-Autofähre (Vogelfluglinie) innerhalb von zwei Stunden wieder deutschen Boden erreichen. Die letzte Etappe ging nach dem Übersetzen am anderen Morgen weiter über Landstraßen   (Fehmarn-Lübeck-Lüneburg-Nienburg-Paderborn-Meschede) bis nach Hause. Der Käfer hat sich auf den in gut einer Woche zurückgelegten 4.100 Km ganz hervorragend bewährt. Außer der versandeten Leerlaufdüse und dem Verlust einer Vergaserfeder, der innerhalb einer Minute behoben werden konnte, gab es nicht den geringsten Ausfall zu beklagen. Die tägliche Motorölkontrolle erwies sich als beinahe überflüssig, auf der Gesamtdistanz betrug der Verbrauch nur 0,5 Liter! Es wurde ein Durchschnittsverbrauch von 8,67 Liter Super auf 100 Km ermittelt, wobei der günstigste Etappenwert in Schweden mal bei 7,5 Litern lag. Diese Werte sind für einen Typ-4-Käfer mit Vergaseranlage äußerst günstig. Fahrwerk und Federung haben die vielen Schlaglöcher und Steinschläge problemlos verkraftet. Lediglich die schwächliche Heizung der Typ-4-Wärmetauscher fiel mal wieder als unangenehmer Wasserdampfspender bei Regenwetter auf!"

Wolfgang Dingeldein